Das Wort wird viel gebraucht. Doch wer versteht dabei auch wirklich, was er damit sagt? „Erdgebunden“ klingt wie eine fürchterliche Strafe. Die meisten Menschen fühlen ein gelindes Grauen, fürchten sich vor denen, die noch erdgebunden sind. Dabei ist die Bedeutung dieses Wortes nicht so schlimm. Gewiß, es gibt so manches Düstere, das diesen oder jenen erdgebunden werden läßt. Vorwiegend sind es aber ganz einfache Dinge, die zum Erdgebundensein hinführen müssen.
Nehmen wir z. B. einen Fall: Die Sünden der Väter rächen sich bis ins dritte und vierte Glied!
Ein Kind stellt in der Familie irgendeine Frage über das Jenseits oder über Gott, was es in der Schule oder Kirche gehört hat. Der Vater weist es kurz ab mit dem Bemerken: „Ach gehe mit dem dummen Zeug! Wenn ich gestorben bin, ist alles aus.“ Das Kind stutzt, wird zweifelnd. Die wegwerfenden Äußerungen des Vaters oder der Mutter wiederholen sich, es hört dasselbe auch von anderen, und zuletzt nimmt es deren Ansicht auf.
Nun kommt die Stunde, daß der Vater hinübergehen muß. Er erkennt dabei zu seinem Erschrecken, daß er damit nicht aufgehört hat zu sein. Nun wird der heiße Wunsch in ihm erwachen, sein Kind diese Erkenntnis wissen zu lassen. Dieser Wunsch bindet ihn an das Kind. Das Kind aber hört ihn nicht und fühlt nicht seine Nähe; denn es lebt nun in der Überzeugung, daß der Vater nicht mehr ist, und das steht wie eine feste, undurchdringliche Mauer zwischen ihm und den Bemühungen seines Vaters. Die Qual des Vaters aber, beobachten zu müssen, daß das Kind durch seinen Anstoß nun den falschen Weg verfolgt, der es immer weiter ab von der Wahrheit treibt, die Angst, daß das Kind auf diesem falschen Wege den Gefahren tieferen Sinkens nicht auszuweichen vermag und vor allen Dingen viel leichter ausgesetzt ist, wirkt nun gleichzeitig als sogenannte Strafe für ihn, dafür, daß er das Kind auf diesen Weg leitete. Selten gelingt es ihm, diesem die Erkenntnis auf irgendeine Art beizubringen. Er muß sehen, wie sich die falsche Idee von seinem Kinde weiter auf dessen Kinder überträgt, und so fort, alles als Mitfolge seiner eigenen Verfehlung. Er kommt nicht los, bis einer der Kindeskinder den rechten Weg erkennt, geht, und auch Einfluß auf die anderen mit ausübt, wodurch er nach und nach gelöst wird und an seinen eigenen Aufstieg denken kann.
Ein anderer Fall: Ein Gewohnheitsraucher nimmt den starken Drang zum Rauchen mit hinüber; denn es ist Empfindung, also geistig. Dieser Drang wird zum brennenden Wunsche, und der Gedanke zur Befriedigung des Dranges hält ihn dort, wo er Befriedigung erreichen kann... auf Erden. Er findet sie, indem er Rauchern nachläuft und mit diesen in deren Empfindung auch genießt. Wenn derartige kein schweres Karma an andere Stelle bindet, fühlen sie sich ganz wohl, sie werden sich einer eigentlichen Strafe sehr selten bewußt. Nur wer das ganze Sein überschaut, erkennt die Strafe in der unausbleiblichen Wechselwirkung, die dahin geht, daß der Betreffende nicht höher kommen kann, solange ihn der dauernd in „Erleben“ schwingende Wunsch zur Befriedigung an andere noch in Fleisch und Blut lebende Menschen auf Erden bindet, durch deren Empfindung allein er Mitbefriedigung erlangen kann.
So ist es auch mit sexueller Befriedigung, mit Trinken, ja sogar mit besonderer Vorliebe zum Essen. Auch da sind viele durch diese Vorliebe daran gebunden, in Küchen und Kellern herumzustöbern, um dann bei dem Genießen der Speisen durch andere mit dabei sein und wenigstens einen kleinen Teil des Genusses nachempfinden zu können. Ernst genommen ist es natürlich „Strafe“. Aber der dringende Wunsch der „Erdgebundenen“ läßt sie es nicht empfinden, sondern übertönt alles andere, und deshalb kann die Sehnsucht nach Edlerem, Höherem nicht so stark werden, daß es zum Haupterleben wird, ihn dadurch von dem anderen befreit und hebt. Was sie eigentlich damit versäumen, wird ihnen gar nicht bewußt, bis dieser Wunsch der Befriedigung, die ja immer nur eine kleine Teilbefriedigung durch andere werden kann, gerade dadurch wie eine langsame Entwöhnung nachläßt und erblaßt, so daß andere noch in ihm ruhende Empfindungen mit weniger starker Wunschkraft nach und nach an gleiche und dann an erste Stelle kommen, wodurch sie sofort zum Erleben und damit zur Kraft der Wirklichkeit gelangen. Die Art der zum Leben gelangten Empfindungen bringt ihn dann dorthin, wo die Gleichart ist, entweder höher oder tiefer, bis auch diese wie die erste nach und nach sich auslöst durch Entwöhnung, und die nächste zur Geltung kommt, die noch vorhanden ist. So kommt mit der Zeit die Reinigung von all den vielen Schlacken, die er mit hinübernahm. Bleibt er da nicht bei einer letzten Empfindung einmal irgendwo stehen? Oder verarmt an Empfindungskraft? Nein! Denn wenn endlich die niederen Empfindungen nach und nach abgelebt, oder abgelegt sind, und es höher geht, erwacht die Dauersehnsucht nach immer Höherem und Reinerem, und diese treibt stetig aufwärts. So ist ein normaler Gang! Nun gibt es aber tausend Zwischenfälle. Die Gefahr des Sturzes oder Hängenbleibens ist viel größer, als in Fleisch und Blut auf Erden. Bist Du schon höher und gibst Dich einer niederen Empfindung hin, nur einen Augenblick, so wird dieses Empfinden unmittelbar Erleben und dadurch zur Wirklichkeit. Du bist verdichtet und wirst schwerer, sinkst hinab in gleichartige Regionen. Dein Horizont verengt sich damit und Du mußt Dich langsam wieder hocharbeiten, wenn es Dir nicht geschieht, daß Du noch tiefer, immer tiefer sinkst. „Wachet und betet!“ ist deshalb kein leeres Wort. Jetzt ist das Feinstoffliche in Dir noch geschützt durch Deinen Körper wie durch einen festen Anker. Kommt aber dann die Loslösung im sogenannten Sterben und Zerfall des Körpers, so bist Du ohne diesen Schutz und wirst als feinstofflich unwiderstehlich von der Gleichart angezogen, ob tief, ob hoch, Du kannst dem nicht entfliehen. Nur eine große Triebkraft kann Dir aufwärts helfen, Dein starkes Wollen zu dem Guten, Hohen, das zur Sehnsucht und Empfindung wird, und damit auch zu dem Erleben und zur Wirklichkeit nach dem Gesetz der feinstofflichen Welt, die nur Empfindung kennt. Darum rüste Dich, schon jetzt mit diesem Wollen zu beginnen, daß es nicht bei der Wandlung, die Dich jede Stunde treffen kann, übertönt wird durch ein zu starkes irdisches Begehren! Wahre Dich, Mensch, und halte Wacht!